Ministerin Scharrenbach: Vierte grenzübergreifende Kontrollaktion gegen ausbeuterische Arbeits- und Wohnverhältnisse – Nutzungsuntersagung für drei Unterkünfte, Verdacht auf Mietwucher
Das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen teilt mit:
Bei einer grenzübergreifenden Kontrollaktion in der Stadt Nettetal und der Gemeinde Brüggen im Kreis Viersen am 12. Dezember 2022 hat die Landesregierung Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit nordrhein-westfälischen, niederländischen, polnischen und weiteren EU-Behörden Wohnungen und Gebäude ins Visier genommen: Ziel: Schutz von Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern vor ausbeuterischer Unterbringung und Beschäftigung sowie weiteres Aufklären von Strukturen. Neben Gebäuden, in denen niederländische Leiharbeitsfirmen aus der Fleischindustrie Beschäftigte unterbringen, wurden erstmals auch Gebäude kontrolliert, in denen Menschen unterkommen, die für polnischen Firmen aus der Logistik- und Baubranche arbeiten. Alle angetroffenen Leiharbeitnehmerinnen und -nehmer sind in den Niederlanden beschäftigt. Die Kontrolle war bereits die vierte großangelegte Kontrollaktion dieser Art im deutsch-niederländischen Grenzgebiet. Auf Einladung des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen unterstützte zudem die Europäische Arbeitsbehörde (ELA) die gemeinsamen Kontrollen und ermöglichte erstmals die Teilnahme von Beamten aus Polen.
„Weiter konsequent gegen Menschen, die andere Menschen ausbeuten: Mit der erneuten grenzüberschreitenden Kontrollaktion im deutsch-niederländischen Grenzgebiet geht die Landesregierung Nordrhein-Westfalen konzentriert mit anderen Behörden gegen ausbeuterische Arbeits- und Wohnverhältnisse vor. Gleichzeitig werden die Strukturen im Hintergrund immer weiter aufgeklärt. Dieses Mal haben wir nicht nur Firmen aus der niederländischen Fleischindustrie, sondern auch aus der Logistik- und Baubranche in das Visier genommen. Wir haben unsere Kommunen mit dem Wohnraumstärkungsgesetz in die Lage versetzt, hart gegen schwarze Schafe durchzugreifen. Daher werden wir auch in Zukunft nicht lockerlassen und ausbeuterischen Unternehmen weiter im Nacken sitzen“, sagt Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen, die sich bei der Kontrollaktion in Brüggen vor Ort ein Bild machte und mit den Einsatzkräften und Betroffenen sprach.
„Der nordrhein-westfälische Arbeitsschutz hat bei dieser länderübergreifenden Überwachungsaktion insbesondere Leiharbeitsfirmen im Fokus, die ihre Beschäftigten durch menschenunwürdige Unterkünfte bei extrem hohen Mieten als Arbeitskraft ausbeuten. Gleich wo die Firmen ihren Sitz haben, ob in Deutschland, den Niederlanden oder in Polen, die Unterkünfte für Arbeitskräfte müssen den geltenden Arbeitsschutzbestimmungen entsprechen. Dafür sorgen wir mit unserer konsequenten Überwachung. Ausbeuterische Strukturen dürfen hier keinen Platz haben,“ erklärt Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen.
Insgesamt haben die beteiligten Behörden in Nettetal sowie Brüggen bei sechs Gebäuden verschiedenste Verstöße festgestellt. In drei Unterkünften in Nettetal waren derart desolate Zustände festzustellen, dass eine Gefahr für Leib und Leben der Bewohner bestand. Die brandschutzrechtlichen Mängel, insbesondere das Fehlen erforderlicher Rettungswege, führte zur Anordnung von sofortigen Teilschließungen. Aus diesem Grund wurden in drei Unterkünften fünf Geschosse geräumt beziehungsweise teilgeräumt. In diesen drei Objekten wird die weitere Nutzung als Sammelunterkunft generell untersagt. Die Wohnungsaufsichtsstellen haben eine Vielzahl an Verstößen nach dem Wohnraumstärkungsgesetz festgestellt - unter anderem fehlende Beheizung. Die festgestellten Rechtsverstöße sollen nun schnellstmöglich ordnungsrechtlich geahndet werden.
Insgesamt waren rund 70 rumänische und polnische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von Leiharbeitsfirmen in diesen Unterkünften untergebracht. Die meisten wurden willkürlich einquartiert, abgeschottet und über ihre Mieterrechte in Unkenntnis gelassen. Einzelne Bewohner mussten in Abstellkammern wohnen. Eklatante Verstöße gegen Arbeitsschutzrecht (Mindestlohn, Arbeitszeiten, Kündigungsschutz) werden die niederländischen Behörden zusätzlich ahnden. Zudem wird der polnische Arbeitsschutz im eigenen Land nachprüfen, ob die Abzüge für Miete vorgenommen wurden und diese rechtmäßig sind.
Außerdem führten die Kontrollen zu Anhaltspunkten für den Straftatverdacht des Mietwuchers, weil die Leiharbeitsfirmen hohe Mieten von den Bewohnerinnen und Bewohnern verlangen. Dort wo es einen Anfangsverdacht von Steuerstraftaten gibt, werden die Strafverfolgungsbehörden eingeschaltet. Die Kontrollaktion wurde vom Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen initiiert und koordiniert.
„Heute haben wir mit vereinten Kräften des Ministeriums, der Kreisverwaltung, der Stadt Nettetal und der Gemeinde Brüggen, der Polizei, des Arbeitsschutzes der Bezirksregierung Düsseldorf sowie der niederländischen Behörden zahlreiche Durchsuchungen in Brüggen und Nettetal durchgeführt. Damit machen wir klar, dass wir aktiv gegen Schwarzarbeit und schlechte Unterbringungsverhältnisse von Arbeitsmigrantinnen und –migranten vorgehen. Ich danke dem Ministerium von Ina Scharrenbach für die Koordinierung und allem beteiligten Kräften für ihren Einsatz”, so der Landrat des Kreises Viersen, Dr. Andreas Coenen.
„Wir leisten in der Kommune die Basisarbeit bei der Bekämpfung von Ausbeutung in der internationalen Leiharbeiterszene. Die Zusammenarbeit mit Kreis- und Landesbehörden ist für uns immens wichtig, um dauerhaft noch schlagkräftiger zu sein. Wir wollen, dass Betreiber von Unterkünften eine menschenwürdige Unterbringung sicherstellen und begreifen, dass es eine Verpflichtung gegenüber den Menschen unserer Stadt und den jeweils betroffenen Nachbarschaften gibt“, so der Bürgermeister der Stadt Nettetal Christian Küsters.
Frank Gellen, der Bürgermeister in Brüggen erklärte, dass er es als unverantwortlich und nicht hinnehmbar erachte, wenn Menschen aus Osteuropa als billige Arbeitskräfte von Unternehmen menschenunwürdig untergebracht und oft ohne jeglichen Arbeitsschutz ausgebeutet würden. Er sei froh, dass mit derartigen gemeinsamen Aktionen ein deutliches Zeichen dagegengesetzt werde.
Während bei der letzten Kontrolle bereits der rumänische Arbeitsschutz beteiligt war, konnten die Behörden dieses Mal auf die Mithilfe des polnischen Arbeitsschutzes bauen. Damit wird das Netzwerk gegen ausbeuterische Leihunternehmen breiter und europäischer aufgestellt und es werden noch mehr Branchen in den Blick genommen. Die Unterstützung der Europäischen Arbeitsbehörde (ELA) bei den Kontrollaktionen trägt dazu bei, um ein grenzübergreifendes Problem in der Europäischen Union in den Griff zu bekommen.
Cosmin Boiangiu, Exekutivdirektor der Europäischen Arbeitsbehörde (ELA): „Einige Unternehmen versuchen, sich den Kontrollen der Behörden eines EU-Mitgliedstaats zu entziehen, indem sie Arbeitnehmer/innen jenseits der Grenze in einem anderen EU-Land unterbringen, allerdings unter inakzeptablen Bedingungen. Durch grenzüberschreitende gemeinsame Kontrollen, die von den nationalen Behörden und der Europäischen Arbeitsbehörde ELA organisiert werden, kann jedoch gegen solche grenzüberschreitenden Verstöße gegen die Arbeitnehmerrechte vorgegangen und die Arbeitsmobilität in der EU fairer gestaltet werden.“
Die ELA unterstützt die Mitgliedstaaten bei der wirksamen Durchsetzung der Gesetze zur Arbeitsmobilität in der EU. Dazu gehört auch die Koordinierung und Unterstützung von grenzüberschreitenden Inspektionen. Den EU-Arbeitnehmern wurde im Rahmen der Kontrollaktion eine Beratung über ihre Arbeitsrechte angeboten.
Hintergrund – Grenzübergreifende Zusammenarbeit als wichtiger Schritt zur Bekämpfung von organisierter Ausbeutung:
- Die grenzübergreifenden Kontrollen gehen auf eine Initiative des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen zurück. Bereits dreimal fanden erfolgreiche Kontrollen im deutsch-niederländischen Grenzgebiet statt: am 12. und 13. Februar 2022 in Geldern und Emmerich, am 8. Mai 2022 in Goch und am 24. und 25. November in Gronau und Südlohn.
- Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Arbeitsverleiher den auf deutscher Seite günstigeren Wohnraum ankaufen oder anmieten, Leiharbeitnehmer aus Ost- und Südosteuropa in ihren Heimatländern oft mit falschen Versprechungen anwerben und in fraglichen Unterkünften einquartieren. Daher ist es umso wichtiger, dass die grenzübergreifende Zusammenarbeit in diesem Bereich intensiviert wird.
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